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Gesellschaft & Politik

Wie der HEV die linke Mobilisierungs-Maschinerie stoppte

HEV-Direktor Markus Meier, HEV-Praesident und Nationalrat Gregor Rutz, SVP-ZH, und Mitte-Praesident und Nationalrat Philipp Matthias Bregy, Mitte-VS, von rechts, freuen sich nach den ersten Prognosen, ...
Ein überraschend deutlicher Triumph: Hauseigentümerverbandspräsident Gregor Rutz (SVP, im Zentrum) HEV-Direktor Markus Meier (r.) und Mitte-Parteichef Philipp Matthas Bregy (l.) am Sonntag in Bern.Bild: keystone

Wie der HEV die linke Mobilisierungs-Maschinerie stoppte

Die letzten Umfragen sagten ein enges Rennen voraus: Nun hat die Bevölkerung deutlich Ja gesagt zur Abschaffung des Eigenmietwerts. Die Erleichterung beim Hauseigentümerverband ist gross. Die Linke hadert – und stellt Forderungen.
28.09.2025, 20:5328.09.2025, 20:53
Christoph Bernet / ch media

57,7 Prozent stimmten für die Abschaffung des Eigenmietwerts. Die Ernüchterung im Berner Lokal «Fabrique 28» war am Sonntagmittag mit den Händen greifbar. Hier hatten sich Mieterverband, Grüne, SP und  einzelne Vertreter der Bauwirtschaft versammelt. Diese Allianz war angetreten, die von den bürgerlichen Parteien und dem Hauseigentümerverband unterstützte Vorlage zu Fall zu bringen.

Nach den letzten Umfragen war die Hoffnung der Gegner gross gewesen: Die Zustimmung befand sich im Sinkflug, die Argumente des Nein-Lagers drangen in der Debatte immer stärker durch. Vieles deutete darauf hin, dass die Mehrheit im Mieterland Schweiz dem Argument folgen würde, wonach die Vorlage einseitig die Hauseigentümer begünstige.

«Wir sind enttäuscht»: Linke sucht nach Erklärungen

Doch für einmal misslang der Linken, was sie zuletzt immer wieder unter Beweis stellen konnte: Mit der Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft bürgerlich geprägte Vorlagen zu bodigen. «Wir sind enttäuscht», sagt SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (ZH) ohne Umschweife.

Enttäuscht sei sie weniger über die Niederlage als über die Konsequenzen dieser Abstimmung für Mieterinnen und Mieter. Zu den in den letzten Jahren bereits stetig gestiegenen Mietzinsen würden nun auch noch höhere Steuern hinzukommen: «Wir konnten zu wenig aufzeigen, dass diese Vorlage einen Preis von fast 2 Milliarden Franken Steuerausfällen hat, den die Mieterinnen und Mieter jetzt bezahlen müssen.»

Enttäuscht zeigt sich auch der Luzerner Grünen-Nationalrat Michael Töngi, Vizepräsident des Mieterverbands. Die Betroffenheit auf der Hauseigentümerseite sei grösser und unmittelbarer gewesen: «Den Eigenmietwert sehen sie jedes Jahr auf der Steuererklärung und ärgern sich darüber. Das hilft bei der Mobilisierung.» Dem Nein-Lager sei es zu wenig gelungen, bei der Mieterschaft die nötige «Übersetzungsarbeit» zu leisten, um die Konsequenzen aufzuzeigen.

Im letzten November triumphierte der Mieterverband gleich doppelt, als die Bevölkerung zwei Änderungen des Mietrechts zugunsten der Hauseigentümer ablehnte. Dieses Mal gelang das nicht. Töngi führt dies auf zwei Gründe zurück. Einerseits spielte die finanzstarke Kampagne des Hauseigentümerverbands (HEV) eine Rolle: «Wir fokussieren unsere begrenzten Ressourcen auf unsere Volksinitiative für einen Renditedeckel bei der Miete.»

Andererseits gelte es, die Ausgangslage differenziert zu betrachten. Zwar lebe die Mehrheit der Bevölkerung zur Miete, doch dazu gehörten überdurchschnittlich viele Ausländer. Die Wohneigentümer seien mehrheitlich Schweizer und im Schnitt älter und wohlhabender als die Gesamtbevölkerung: «Das sind jene Menschen, die sich überdurchschnittlich stark an Abstimmungen beteiligen.» Zudem werde die Annahme, dass Mietende und Hauseigentümer strikt nach Eigeninteresse abstimmen, der Komplexität von politischen Entscheidungen nicht gerecht.

«Bevölkerung entscheidet mit Blick aufs Ganze»

In diesem Punkt stimmt HEV-Präsident und Nationalrat Gregor Rutz (SVP/ZH) zu. Viele Menschen seien nicht ihr Leben lang Eigentümer oder Mieter: «Die Welt ist nicht so schwarz-weiss, wie immer behauptet wird.»  Mit der Möglichkeit für Steuerabzüge beim Ersterwerb einer Immobilie biete die Vorlage auch jenen Mietern etwas, die von einem Eigenheim träumen. Und es sei im Interesse der Gesamtbevölkerung, dass endlich der steuerliche Anreiz, sich zu verschulden, wegfalle: «Das ist in der heutigen Zeit mit ihren globalen wirtschaftlichen Verwerfungen umso wichtiger.»

Die Vorlage sei als Ganzes austariert gewesen, weshalb sie auch die Linke im Parlament bis kurz vor der Schlussabstimmung mitgetragen habe. «Die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben immer wieder unter Beweis gestellt, dass sie mit dem Blick aufs Ganze entscheiden. Das haben sie auch heute getan», sagt Rutz.

Auch Mitte-Parteichef und HEV-Vorstandsmitglied Philipp Matthias Bregy (VS) hebt die Ausgewogenheit der Vorlage hervor. Sie stelle einen «konsequenten Systemwechsel und eine gerechte Lösung» dar: «Man schafft zwar die ungerechte Besteuerung des Eigenmietwerts für die Wohneigentümer ab, streicht ihnen aber dafür andere Privilegien bei den Steuern.» Damit habe man über das eigene Lager hinaus überzeugt.

Auch Mieter sollen ohne Sorgen wohnen

Das Resultat zeige, dass sowohl Hauseigentümer als auch Mieter nicht nur aus einer Eigenperspektive entscheiden: «Das gibt mir Zuversicht für die Zukunft.» Beide Wohnformen hätten Vor- und Nachteile: «Wir sollten Mieterinnen und Hauseigentümer nicht gegeneinander ausspielen.» Wichtig sei, dass schnell zusätzlicher Wohnraum geschaffen werde. Der Hauseigentümerverband sei immer bereit für den Dialog mit der Gegenseite, um gemeinsame Lösungen zum Nutzen aller zu finden.

Mieterverbandsvizepräsident Michael Töngi nimmt den Ball auf – und den HEV bei der eigenen Nase: «Die Hauseigentümer haben diese Kampagne mit dem Slogan ‹Wohnen ohne Sorgen› bestritten.» Das müsse auch für die Mieterinnen und Mieter gelten, deren Wohnkosten deutlich gestiegen seien. Jetzt, wo die Hauseigentümer dank der Abschaffung des Eigenmietwerts finanziell stark profitierten, gelte es endlich griffige Massnahmen gegen die steigenden Mietzinsen anzupacken. (aargauerzeitung.ch)

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International anerkannter Experte für ALLES
28.09.2025 21:09registriert Juli 2021
«Wir konnten zu wenig aufzeigen, dass diese Vorlage einen Preis von fast 2 Milliarden Franken Steuerausfällen hat, den die Mieterinnen und Mieter jetzt bezahlen müssen.»

Die Aussage ist schlicht falsch. Die Steuerausfälle werden von allen bezahlt, nicht nur von Mietern. Und wie üblich zahlen Leute in einer höheren Progressionsstufe mehr als Leute mit geringen Einkommen.
20081
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de urs
29.09.2025 00:31registriert April 2021
Woher kommt eigentlich diese dämliche Schubladisierung "Mieter sind arm, Eigenheimbesitzer sind reich"? Ist z.B. jemand arm, der in Zug eine Wohnung für 4000.- mieten kann, noch einen Porsche und einen BMW in der Tiefgarage hat und dreimal im Jahr in den Urlaub fliegt? Ist z. B. jemand reich, der/die das halbe Leben für ein Reihenhüsli gespart haben obwohl sie keine Grossverdiener sind? Offenbar hat die SP mit Mattea und Cederic mehr Mitleid mit den Erstgenannten!!
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Elmas Lento
28.09.2025 22:35registriert Mai 2017
Ich denke nicht, dass es nur an der Mobilisierung lag, in Bern wurde ja auch die Initiative für transparente Vormiete (Formularpflicht) angenommen, welche im Sinne der Mieter ist, diese wurden also schon mobilisiert. Dadurch dass auch gewisse Privilegien für Eigentümer gestrichen wurden war die Vorlage sehr ausgeglichen, wäre nur der Eigenmietwert gestrichen worden wäre das vermutlich versenkt worden. Jetzt müssen aber die Kantone vorwärts machen mit der Objektsteuer, das darf jetzt nicht auf die lange Bank geschoben werden, sonst fühle ich mich als Mieter dann verarscht...
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